„Und dann haben wir noch das hier ...“, sagte die Museumsmitarbeiterin in einem kleinen mittelfränkischen Museum und öffnete verlegen den Depotschrank. Zum Vorschein kamen zwei Judaica oder zumindest das, was noch von ihnen übrig war. Die beiden Shabbatlampen waren zu einem unbekannten Zeitpunkt an das Museum übergeben worden und befanden sich seitdem in einem konservatorisch bedenklichen Zustand im Depot. Über ihre Herkunft ist nichts bekannt. Der alltägliche Museumsbetrieb und die geringen personellen Kapazitäten ließen eine Arbeit mit den Objekten nicht zu; sie und ihre Geschichte gerieten in Vergessenheit. Möglicherweise auch, weil man sich sorgte, nicht den richtigen Umgang mit ihnen zu finden.
Das Phänomen betrifft nicht nur jüdische Ritualobjekte, sondern alle Sammlungsstücke – vom technischen Kulturgut über Musikinstrumente und Gemälde bis hin zum regionaltypischen Deckelpokal oder dem Konvolut an Armreifen aus Papua-Neuguinea. Museen befinden sich im Besitz von Objekten, deren Provenienz aus unterschiedlichen Gründen noch nicht erforscht werden konnte, die aber einen Bezug zur jüdischen Kultur aufweisen können, zwischen 1933 und 1945 ans Haus kamen oder aber durch andere Merkmale verdächtig in Bezug auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug sind. Hinzu kommen weitere Entzugskontexte wie Erwerbungen aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR sowie Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, die es gleichfalls zu berücksichtigen gilt.
Provenienzforschung ist mittlerweile fester Bestandteil der Museumsarbeit geworden, doch noch immer gilt es, Hürden und Unsicherheiten bei der Erforschung der eigenen Sammlungsgeschichte abzubauen. Der MuseumsBaustein „‚Und dann haben wir noch das hier ...‛ – Provenienzforschung für Museen“ versteht sich als Arbeitshilfe, die Museen in die Lage versetzen soll, eigenständig Provenienzforschung zu betreiben, sie selbstständig in den Arbeitsalltag zu integrieren und kategorisch mitzudenken. Anhand der Kernaufgaben eines Museums (Forschen, Sammeln, Bewahren, Vermitteln, Ausstellen) werden verständliche und praktische Einblicke in die Provenienzforschung gegeben. In abwechslungsreichen Beiträgen berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesstelle sowie aus bayerischen Museen und anderen kulturgutbewahrenden Einrichtungen aus den unterschiedlichen Fachbereichen.
Neben einer Einführung in die relevantesten Entzugskontexte gibt es hilfreiche Tipps zu Recherchen in den Archiven sowie nützliche Übersichten zur Überprüfung von Neuzugängen und Ausleihen. Für die Inventarisierungssoftware VINO ist ein Modul erarbeitet worden, das die Museen bei der Dokumentation von Provenienzangaben unterstützt. Im Bereich Vermittlung wird auf sensible Sprache im musealen Kontext eingegangen sowie mittels einer Comic-Seite das Thema Schulkindern beispielhaft nähergebracht. Wie man sich die Zusammenarbeit mit Pressevertretern und Marketingexperten zunutze macht, wird ebenso thematisiert. In diesem Kontext spielt auch der Einsatz von digitalen Formaten eine zunehmend wichtige Rolle, wofür virtuelle Ausstellungen als Angebot der Deutschen Digitalen Bibliothek und Themen-Apps vorgestellt werden. Für die Sichtbarmachung von Forschungsergebnissen in musealen Ausstellungen werden Gestaltungskonzepte mit entsprechenden Musterlösungen für Objektangaben und Provenienzketten aufgeführt. Zusätzlich wurde eigens ein Provenienz-Piktogramm entworfen, das individuell anpassbar und inklusiv einsetzbar ist. Schließlich runden Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen nichtstaatlichen Museen in Bayern das Kompendium ab.
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